Freizeit | 2024
Angeregt durch die ZHdK Hausaufgabe „im Moment“ habe ich mich für den Themenkomplex Demenz entschieden. Dies deshalb, weil sich der Zustand der kognitiven, emotionalen und sozialen Fähigkeiten von Menschen mit Demenz oft episodisch zu verschlechtern scheint; und sie dann „im Moment“ eine Person sind und im nächsten Moment eine ganz andere zu sein scheinen. Bei meiner an Demenz erkrankten Grossmutter hatte ich zudem oft den Eindruck, dass sie aufgrund des Verlusts ihres Gedächtnisses oft nur noch „im Moment“ lebte.
Um meine konzeptionell-analytischen Stärken und stilistische Vielfalt zu unterstreichen, habe ich eine Serious Game-inspirierte Ausgangssituation für drei Spielkonzepte definiert, die sich jeweils in ihrem Genre (Wohlfühlspiel, Abenteuerspiel, Horrorspiel) unterscheiden. Der besondere Reiz dieses Projekts liegt für mich in der Harmonisierung des Themas mit der Spielmechanik, der vergleichenden Untersuchung, und in der Anpassungsfähigkeit an das Genre.
Synaptic Odyssey: Konzept
Konzept, S. 2
Konzept, S. 2
Konzept, S. 3
Konzept, S. 3
Konzept, S. 4
Konzept, S. 4
Konzept, S. 5
Konzept, S. 5
Spielkonzept zu den drei Versionen von Synaptic Odyssey (2024)
Ausgangslage​​​​​​​
In allen drei Varianten von Synaptic Odyssey übernimmt die Spielerin die Rolle eines Neurotransmitters, der durch die surreale Welt des Gehirns eines 90-jährigen Demenzkranken navigiert. Details zum Kartensystem nach Genre siehe Konzept S. 4.

Skizze eines möglichen Kartensystems (Navigation) durch das demenzkranke Gehirn | Synaptic Odyssey (2024)

Story & Mission
Die Story und die Mission von Synaptic Odyssey unterscheiden sich jedoch je nach Genre:
Variante 1: Wohlfühlspiel
Das Gehirn hat neue Mitbewohner, die Familie Dementia. Der Neurotransmitter wurde aufgrund seiner herausragenden Leistungen ausgewählt und gebeten, neben seiner regulären Arbeit als Paketbote neue Erinnerungen zu pflegen und zu heilen. Details siehe Konzept S. 2.
Variante 2: Abenteuerspiel
Bei einer Routineuntersuchung der Synapsenbahnen entdeckt der Neurotransmitter abgestorbene Nervenzellen im Gehirn und beschliesst, den Ursachen auf den Grund zu gehen. Auf seinem Weg durch die komplexen Ströme des Denkens und Erinnerns entdeckt er, dass das Gehirn von den "Demenz-Monstern" Memoriphage und Cognitronaut bedroht wird. Eine epische Reise durch das Reich der Erinnerungen beginnt. Details siehe Konzept S. 2.
Variante 3: Horrorspiel
Der Neurotransmitter ist im Gehirn eines 90-Jährigen gefangen, dessen Nervenzellen im Gehirn zum größten Teil abgestorben oder von der Demenz „infiziert“ sind. Er kämpft nun um sein Leben und versucht, sich vor den verschiedenen "Demenz-Monstern" zu verstecken. Details siehe Konzept S. 2.
Environment
In allen drei Versionen wird die synaptische Landschaft dabei zu einem Ozean der Erinnerungen, wobei jedes Neuron ein geheimnisvolles Inselmosaik darstellt. Je nach Genre unterscheidet sich aber die Ästhetik:
Variante 1: Wohlfühlspiel
Die Ästhetik des Spiels ist surrealistisch angehaucht. Cartoon-Elemente und warme Pastelltöne dominieren.
Die blühende Synapsenlandschaft ist ein glitzerndes und schillerndes Neuronenmeer mit vielen Erinnerungsströmen.  Sie gleicht einem bunten Regenbogenland. Kranke Erinnerungen pulsieren und leuchten nur noch schwach.
Variante 2: Abenteuerspiel
Die Ästhetik des Spiels ist surrealistisch-fantastisch inspiriert, detailreich und betont handgezeichnet.
Die wunderliche Synapsenlandschaft mischt Elemente aus dem Weltraum mit denen der Tiefsee und besteht aus einem golden leuchtenden Neuronenmeer. Es schimmert geheimnisvoll und magisch. Die toten Nerven ähneln einem ausgebleichten Korallenriff.
Variante 3: Horrorspiel
Die Ästhetik des Spiels mischt surreale Horrorelemente mit Cyberpunk. Das Farbschema ist sehr dunkel, mit Ausnahme der unheimlichen Neon-Elemente.
Die abgestorbenen Nervenzellen gleichen einem verrottenden Elefantenfriedhof, umgeben von giftigem Elektrosmog in Neon. Das menschliche Gehirn wird zu einem verwirrenden, technoid-ähnlichen Labyrinth aus Synapsen.​​​​​​​
Hauptfiguren
Ebenso ist das Aussehen des Neurotransmitters und der "Demenz-Monstern" nach Genre unterschiedlich:
Variante 1: Wohlfühlspiel​​​​​​​
Der Neurotransmitter – als „Botenstoff“ – wird als niedliche und fleissige Figur dargestellt; eine Mischung aus U-Boot-Fahrer, Postbote und Arzt. Auf seiner Reise begleitet ihn eine Art Walfisch-U-Boot, auf dem er reiten kann.

Variante 2: Abenteuerspiel
Der Neurotransmitter wird als kleine, rundliche, humanoide Figur dargestellt, eine Mischung aus U-Boot-Fahrer und Elektriker-Glühbirne. Seine Arme sind Werkzeuge, bspw. mit einer Amperemeter-Funktion. Sein Fortbewegungsmittel ist eine Art U-Boot, das an einen technoiden Tintenfisch erinnert.
Variante 3: Horrorspiel
Der Neurotransmitter ist eine überdimensionale Figur, eine Mischung aus U-Boot und Schweisser mit Schläuchen als Armen. Er hat elektrische Auswüchse am Kopf, die von Zeit zu Zeit Impulse aussenden und dabei neonfarben aufleuchten oder Funken sprühen. Da er selbst Teil U-Boot ist, braucht er kein Transportmittel. 
Variante 1: Wohlfühlspiel
Variante 1: Wohlfühlspiel
Variante 2: Abenteuerspiel
Variante 2: Abenteuerspiel
Variante 3: Horrorspiel
Variante 3: Horrorspiel
Skizzen zu den "Demenz-Monster" nach Genre | Synaptic Odyssey (2024)
Spielmechanik
Unterschiedliche Geschichten, Missionen, Schauplätze und Figuren verändern auch die Spielmechanik der drei Versionen von Synaptic Odyssey:
Variante 1: Wohlfühlspiel
Das Wohlfühlspiel ist ein gemütliches Aufbaustrategiespiel, das zwischen 2D-, isometrischer und 3D-Perspektive wechselt. Ziel des Spiels ist es, die synaptischen Inseln zu verwalten, Erinnerungen zu pflegen, den Bewohnern des Gehirns Pakete zu überbringen, sich um ihre Bedürfnisse zu kümmern und den Austausch mit der Familie Dementia zu fördern. Schritt für Schritt werden das Leben des 90-Jährigen und die ersten Phasen der Demenz rekonstruiert. Für Details siehe Konzept S. 4-5.
Variante 2: Abenteuerspiel
Das Abenteuerspiel ist ein 2D-Explorations- und Puzzlespiel, das auf einer Point-and-Click-Mechanik basiert. Ziel des Spiels ist es, demenzspezifische Rätsel zu lösen, um Erinnerungsfragmente zusammenzusetzen, die nach und nach das Leben und die ersten Phasen der Demenz des 90-Jährigen rekonstruieren, und die Demenz-Monster zu bekämpfen. Um dies zu erreichen, muss sich die Spielerin das Werkzeug des Zeitverlangsamers aneignen. Für Details siehe Konzept S. 4-5.
Variante 3 : Horrorspiel
Das Horrorspiel ist ein 3D-Survival-Game, das Roguelike-Elemente mit der künstlichen Intelligenz von Demenz-Monstern kombiniert und aus der Third-Person-Perspektive gespielt wird. Ziel des Spiels ist es, durch Verstecken und Manipulieren der Umgebung so lange wie möglich im Gehirn zu überleben, bis die letzten Nervenzellen abgestorben sind und der 90-Jährige stirbt. Ist das ganze Gehirn infiziert, ist das Spiel vorbei. Details siehe Konzept S. 4-5.​​​​​​​
Der Kontrollraum​​​​​​​
Ein Mechanismus aller Spielvarianten von Synaptic Odyssey besteht darin, dass im Kontrollraum der Ort, an dem sich der 90-Jährige „im Moment“ in der Welt befindet, beeinflusst werden kann und er dabei auf andere Menschen, Situationen, Räume und Umweltgefahren trifft, die Einfluss auf die Stimmung und den Verlauf der Demenz haben. Es löst Echtzeit-Entscheidungen und zeitbegrenzte Events im Spiel aus
Je nach Genre unterscheidet sich jedoch die Interaktionsform:
Variante 1: Wohlfühlspiel
Der Kontrollraum ist eine Weltkarte, die eine isometrische Darstellung des 90-Jährigen zeigt, wie er sich aus der Vogelperspektive durch die Welt bewegt.
Hier kann die Spielerin jederzeit den Weg und teilweise die Interaktion des 90-Jährigen durch die Welt beeinflussen. Der Wechsel in den Kontrollraum wird mit der Taste „M“ eingeleitet. Dabei wechselt die 2D-Ansicht in eine isometrische 2.5-Ansicht.
Variante 2: Abenteuerspiel
Im Kontrollraum verbindet ein riesiges Fernglas die Außenwelt über die Augen mit der Innenwelt des Gehirns. Dort wird die Außenwelt entsprechend der visuellen Wahrnehmung auf zwei Projektionsflächen im Raum projiziert.
Durch das Lösen bestimmter Rätsel kann die Spielerin im Kontrollraum den Weg des 90-Jährigen durch die Welt immer mehr beeinflussen. Durch das Klicken auf das Steuerrad kann der 90-Jährige navigiert werden. 
Variante 3: Horrorspiel
Im Kontrollraum wird die immer abstrakter werdende Außenwelt auf einen 360°-Bildschirm projiziert. In der Mitte des Raumes befindet sich eine Art Steuerrad.
Sofern die Hirnregion noch intakt ist, kann die Spielerin im Kontrollraum den Weg des 90-Jährigen durch die Welt beeinflussen. Doch je mehr Gehirnzellen abgestorben sind, desto instabiler, absurder oder gewalttätiger werden die Interaktionen mit der Außenwelt und desto intensiver werden die Demenzanfälle. Durch das Interagieren mit dem Steuerrad kann der 90-Jährige navigiert werden. 
Beispiele für Echtzeit-Entscheidungen und zeitbegrenzte Events:
Skizzen
Die Skizzen sollen weitere Spielmechanismen von Synaptic Odyssey veranschaulichen. Sie sind aber bei weitem nicht vollständig. Für Details siehe Konzept S. 4-5.
Skizzen zum Brauen von Tinkturen, zum Heilprozess und zum Ausliefern von Paketen im Wohlfühlspiel | Synaptic Odyssey (2024)
Puzzle "The Sound of Memory"
Puzzle "The Sound of Memory"
Puzzle "The Smell of Memory"
Puzzle "The Smell of Memory"
Puzzle "Orientierung"
Puzzle "Orientierung"
Mechanik "Memory Spheres"
Mechanik "Memory Spheres"
Skizzen für die Rätsel und das Einsammeln der "Memory Spheres" im Abenteuerspiel | Synaptic Odyssey (2024)
Skizzen zum zerfallenden Erinnerungsraum im Horrorspiel | Synaptic Odyssey (2024)
Prozess
Es folgt ein kurzer Überblick über die wichtigsten Designschritte. Aufgrund meines Interesses an Serious-Games-Hybriden war es mir besonders wichtig, dass Synaptic Odyssey auf wissenschaftlichen Fakten basiert und somit z.B. Synapsen und Neuronen mehr oder weniger als solche erkennbar sind (Wiedererkennungswert). Die Neurotransmitter hingegen haben eine weniger bekannte Form und durften daher für mich in ihrer Ästhetik freier sein.
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